Mit dem Motorrad durch Vietnam – Eine abenteuerliche Erfahrung
Wir, das sind Kati und Hermann, sind seit 2012 in der weiten Welt unterwegs, erleben am liebsten Abenteuer abseits des Mainstream. Deswegen kam uns irgendwann die glorreiche Idee, Vietnam mit dem Motorrad zu bereisen. Im ersten Moment könnte das lebensmüde klingen, im zweiten fing unser Kopfkino an zu spielen:
Grenzenlose Freiheit erleben, über einsame Bergstraßen tuckern, in authentischen Homestays übernachten, undefinierbare Dinge am Straßenrand probieren und in das echte Leben im Land eintauchen. Kurz gesagt: Das pure Vietnam erleben.
Gesagt, getan.
Was man dazu sagen muss: Kati hatte seit einem Moped Unfall 2011 in Griechenland die blanke Panik, sich wieder auf den Sattel zu schwingen.
Und was macht man in so einer Situation am besten? Genau! Man springt ins kalte Wasser, raus aus seiner Komfortzone, überwindet seine Ängste, reist in ein Land mit waghalsigem Straßenverkehr und cruist einfach mal in 2 Monaten 5000 km kreuz und quer durch Vietnam.
Wie das Abenteuer begann
Der erste Monat der Motorradreise führte uns von Ho Chi Minh in knapp 2200 Kilometern nach Hanoi. Wir mieteten unsere Mopeds bei Tigitmotorbikes, bekamen eine kurze Einweisung, wie man das Geschoss überhaupt bedient, unterschrieben den Vertrag und ab ging die wilde Fahrt.
Wir schwankten zwischen unbändiger Vorfreude und halbem Nervenzusammenbruch, drehten vorsichtig am Gas und rollten die ersten Kilometer durch Ho Chi Minh City. Inmitten tausender Mopeds, einem wilden Gehupe und dem für uns absoluten Chaos schoben wir uns mit der Blechlawine langsam aus der Stadt. Hinein in das Durcheinander, in dem tausend neue Eindrücke in Sekundenbruchteilen auf uns einprasselten.
Womit wir nicht gerechnet hatten war, dass wir schon nach 20 km in die erste Polizeikontrolle tappen würden.
Naiv wie wir waren, gaben wir nach Aufforderung der Beamten unsere Pässe aus der Hand. Ein absolutes No-Go, denn dann geht der Spaß meist erst richtig los. Jetzt hatten die vietnamesischen Polizisten ein Druckmittel, um eine saftige Strafe herauszupressen. Denn wenn wir nicht zahlen, würden sie die Pässe einbehalten. Ganz einfach.
Uns dämmerte ziemlich schnell, dass wir in der Klemme sind.
Frustriert, überfordert und mit flatternden Nerven saßen wir am Straßenrand und wussten erstmal nicht weiter. Summen von 250$ pro Person wurden uns genannt. Vor wenigen Minuten sagte man uns doch bei Tigit erst, dass sich die aktuellen Schmiergeldsummen zwischen 10-20$ bewegen.
Nach zähen Verhandlungen und einem ewigen Hin und Her einigten wir uns dann doch auf 20$ pro Person, bekamen unsere Pässe zurück und fuhren weiter. Obwohl wir dachten, dass es ab jetzt wohl so weitergehen würde und wir regelmäßig schmieren müssten, war dies unsere einzige Polizeikontrolle im ersten Monat.
Je weiter wir uns dann aus Ho Chi Minh bewegten, desto mehr konnten wir erahnen, was uns in diesem Monat erwarten wird. Abwechslungsreiche Landschaften, überall kleine Straßenstände, die köstlichen, vietnamesischen Kaffee und frische Kokosnüsse servieren, die man dann in Hängematten genießen kann, grüne Reisterrassen, die sich die Hügel entlangziehen und abgeschiedene Dörfer.
Aber auch Müll. Berge von Müll. Er war allgegenwärtig. Überall. Und wenn er nicht grade haufenweise herumlag und von Tieren nach Essbarem durchwühlt wurde, brannte er lichterloh in den Straßengräben. Der Geruch von verbranntem Plastik und Müll wurde ein fast täglicher Begleiter.
Das Moped, unser treuer Freund war anfangs noch etwas fremd. Vor allem ich, Kati, fand nur schwer mein Gleichgewicht, hatte Angst umzukippen, Angst zu schnell zu fahren und brauchte ewig, um meinen Rucksack zum Tanken ab- und wieder aufzuschnallen.
Unsere Hintern taten die ersten Tage ständig weh und von der Reizüberflutung im Straßenverkehr brauchen wir gar nicht erst anfangen. 🙂 Aber das legte sich. Auch als Mopedneuling.
Landschaftlich hatte die Strecke Ho Chi Minh – Hanoi zwar einiges zu bieten, u.a. traumhafte Bergetappen rund um Da Lat, die alte Kaiserstadt Hue, die wunderschönen Kalksteinfelsen der Bai Tu Long Bucht oder der berühmte Hoi Van Pass, aber als wir nach knapp einem Monat im wuseligen Hanoi ankamen, hatten wir irgendwie das Gefühl: Das war zwar geil, aber da geht bestimmt noch mehr.
Auf in den schönen Norden
Also verlängerten wir kurzerhand unser Visum, mieteten unsere Mopeds erneut bei Tigit (dieses Mal in Hanoi und günstiger, da es ein Folgemonat war), schnallten erneut unser gesamtes Hab und Gut auf unsere zwei Knatterkisten und sagten:
Tschau Hanoi, Hallo Nordvietnam.
Der Verkehr in Hanoi hatte uns zwar im ersten Moment wieder Schweiß auf die Stirn getrieben, vor allem im Stadtzentrum, aber als wir auch diese Millionenmetropole hinter uns gelassen hatten, fing das Abenteuer 2.0 erst richtig an.
Denn ganz ehrlich? Im Norden fanden wir genau das Vietnam, das wir zuvor in unseren Köpfen hatten. Abgeschiedenheit, Traumkulissen und einfach das „echte“ Vietnam.
Außer im touristisch überrannten Sapa und auf dem bei Backpackern so beliebten Ha Giang Loop, hatten wir Tage dabei, in denen uns kein einziger westlicher Tourist begegnete.
Wir fuhren durch verschlafene, kleine Bergdörfer, in denen die Kinder und auch die Älteren uns mit großen Augen anschauten und auf uns zu gerannt kamen, sobald wir anhielten; brausten an Reisterrassenhängen entlang, hoch auf 1500 Meter und wieder runter, durch dichten Neben und strahlenden Sonnenschein, besuchten den spektakulären Ban Gioc Wasserfall, knatterten an mächtigen Kalksteinfelsen vorbei und überquerten illegal die Grenze nach China. Nur für 5 Minuten… keine Sorge. 🙂
Übernachteten auf dem Boden in einfachen Holzhütten, duschten neben fliegenden Kakerlaken, tranken Reiswein mit unseren Gastgebern, fingen uns die wohl krasseste Lebensmittelvergiftung unseres Lebens ein und blockierten 8 Stunden am Stück die einzige Toilette für 15 Gäste.
Der Norden bot uns ab der ersten Etappe das, was uns auf der Süd-Nord-Tour irgendwie gefehlt hatte. Das Feeling und der Vibe waren für uns plötzlich da. Grenzenlose Freiheit, Abenteuer… es fühlte sich ab dem ersten Tag an, als ob wir endlich im Land angekommen wären. Vor allem die Ecke um Mu Cang Chai hatte es uns angetan.
Wir besuchten auf unserer Rundreise einsame mystische Höhlen, thermale Quellen, fuhren mit unseren voll beladenen Mopeds über wackelige Hängebrücken, konnten uns – vor allem mit den Naturvölkern – teilweise nur mit Händen und Füssen verständigen, bestellten einfach irgendwas auf den vietnamesischen Speisekarten am Straßenrand und verhandelten am Ende wie Pros die Obstpreise auf den Märkten. Egal wo wir hinkamen, wurden wir freundlich empfangen und fühlten uns durchweg wohl.
Mein Gepäckträger ist während der Fahrt mehrere Male gebrochen und musste geschweißt werden und auch, wenn es in abgelegenen Bergdörfern schwierig war jemanden zu finden, der schweißt, wenn sich noch Sprit im Tank befindet, haben wir immer eine helfende Hand gefunden und bezahlten tatsächlich den regulären Einheimischen-Preis.
Wir knatterten weiter über holprige Feldwege abseits der Asphaltstraßen, schlitterten durch knöcheltiefen Matsch an Wasserbüffeln vorbei und schmuggelten uns im zweiten Monat irgendwie an allen Polizeikontrollen vorbei.
Wir hatten am Ende ein ausgeklügeltes System entwickelt und hängten uns einfach hinter LKWs und große Reisebusse, um so an den korrupten Polizisten vorbeizukommen, ohne angehalten zu werden. Eine Garantie, dass es klappt gibt es nie, aber es hat uns den zweiten Monat definitiv davor gerettet, Beamte schmieren zu müssen. Denn im schlimmsten Fall werden von den Beamten sogar Mopeds für mehrere Tage konfisziert.
Es gab aber auch brenzlige Situationen, teilweise sogar lebensgefährliche
Denn auch, wenn sich das Ganze abenteuerlich und badass anhört, man sollte nie vergessen, dass Vietnam ein Land ist, in dem Jahr für Jahr tausende Menschen im Straßenverkehr verunglücken. Auch Touristen. Auch tödlich.
Einige Male wurden wir so knapp von den großen Reisebussen überholt, dass uns der Luftsog hinter dem Fahrzeug fast von der Fahrbahn gedrängt hätte und wir ins Schleudern kamen.
Ein anderes Mal überquerten wir vorsichtig im Schritttempo im dichten Nebel einen Gebirgspass, während immer wieder Autos mit überhöhter Geschwindigkeit ganz plötzlich und ohne Licht auf uns zurasten und wir sie meistens erst wenige Meter vor uns ausmachen konnten.
Richtig gefährlich war es auch, als wir mit weniger als 30 cm Abstand von einem LKW überholt wurden, ins Wanken kamen und uns gerade noch so auf dem Moped halten konnten.
Wir sahen in den zwei Monaten einige Unfälle, auch schwere. Und auch mich (Kati) hat es an einem Tag drei Mal hingehauen. Ich war überfordert im Feierabendverkehr, als sich tausende Mopeds in Da Lat an den Ampeln drängten und verlor die Kontrolle, als ich meinen ersten Gebirgspass überquerte. Zum Glück habe ich mir nur Schürfwunden an beiden Beinen und Armen zugezogen.
Unsere Reiseart und Fazit
Wir buchten auf unserem Vietnam-Abenteuer nichts im Voraus und überlegten uns jeden Tag aufs Neue, wo genau wir langfahren möchten. Die Unterkünfte buchten wir spontan entweder am Abend davor oder direkt am Morgen.
Wir können diese Art des Reisens in Vietnam nur empfehlen, es gestaltet sich als komplett unproblematisch und ist wirklich zu empfehlen, wenn man entspannt und ohne Stress durchs Land reisen will.
Denn man sollte nicht vergessen: Vietnam ist gar nicht so klein, wie es auf der Landkarte aussieht und mit dem Moped kommt man nicht besonders schnell voran. Für 150 km braucht man als Fahranfänger teilweise 5-7 Stunden. Und das bei Sonnenschein auf gerader Fahrbahn. Sollte es regnen oder man muss auf der Strecke windige Gebirgspässe überqueren oder Schotterpisten und Feldwege entlangfahren, zieht sich das Ganze.
Vietnam mit dem Motorrad zu erkunden ist ein echtes Abenteuer. Einige würden sagen lebensmüde, für andere wiederum wird es die Reise ihres Lebens.
Landschaftlich um einiges schöner, bietet der Norden unserer Meinung nach das „echte“ Vietnam-Feeling. Atemberaubende Gebirgspässe, steile Abgründe, Reisterrassen wohin das Auge reicht, ländliche Natur, ruhige Straßen und authentische Homestays. Im Norden haben wir das gefunden, was uns auf der Süd-Nord Route gefehlt hat. Tolle Straßen zum Fahren, wunderschöne Natur, Höhlen und Wasserfälle und – sofern man auch hier abseits der klassischen Route reist – eine herrliche Ruhe.
Lass dich durch deine Bedenken und die Meinung anderer nicht davon abhalten, Vietnam auf dem Moped zu erkunden, öffne dein Herz und mach dich auf den Weg.
Du wirst es nicht bereuen, da sind wir uns sicher. 🙂
Aber fahr unbedingt vorsichtig.
Wenn du mehr über uns und unsere Abenteuer erfahren möchtest, schau gerne auf unserem Blog vorbei. Wir haben über unser Abenteuer im Norden außerdem ein eBook geschrieben. Dort gibt es alle Infos zur Einreise, Visum, dem Motorradkauf oder Miete, den Straßenverhältnissen, Polizeikontrollen, Unterkünften, Sehenswertem und all unseren Erfahrungen, die wir in insgesamt 3 Monaten in Vietnam erlebt haben.
Khoa Nguyen
Hallo,
Danke für den interessanten Erfahrungsbericht. Ich stelle mir schon die Strecke von Ho-Chi-Minh City bis Da Lat sehr herausfordernd dar. Aber ihr seid mit Zweiräder noch viel weiter gefahren. Der absolute Wahnsinn!